30 Jahre Deutscher Bahnkunden-Verband e. V.

Am 10. April 1990 wurde unser Verband als erster Fahrgastverband in der DDR gegründet. Man gab ihm den Namen „Pro Bahn“, wie bereits die Verbände in Österreich, der Schweiz und der alten Bundesrepublik hießen. In den bewegten Monaten des Jahres 1990 kamen bei Fahrgästen und Güterkunden sowie Unternehmen der Bahnindustrie viele Befürchtungen darüber auf, dass nun der in Westdeutschland fast abgeschlossene Kahlschlag im Bahnnetz in der DDR mit den Folgen für die Arbeitsplätze kopiert wird.

Unterzeichnung der Patenschaftsvereinbarung zur Rettung der Döllnitzbahnam 26.06.1991Unterzeichnung der Patenschaftsvereinbarung zur Rettung der Döllnitzbahnam 26.06.1991Unterzeichnung der Patenschaftsvereinbarung zur Rettung der Döllnitzbahn am 26.06.1991

 In Ermangelung einer freien Gewerkschaft in der Wende-DDR haben sich viele Reichsbahner zunächst dem neuen Fahrgastverband angeschlossen. Zwischen der Deutschen Reichsbahn (DR) und unserem Verband wurde eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, in der die Zusammenarbeit geregelt und die Unterstützung der gemeinnützigen Verbandszwecke unterstützt wurden. So z. B. die kostenfreie Nutzung der bahneigenen Post- und Telefonnetze „EDS“ und „Basa“ und Raumutzung für unsere Hauptgeschäftsstelle im Wriezener Bahnhof in Berlin sowie unserer Fahrgastzentren in den Hauptbahnhöfen Berlin (heute Ostbf), Schwerin (M), Potsdam, Dessau und Erfurt. Eine weitere Zusammenarbeit ergab sich aus der Patenschaftsvereinbarung „Pro Bahnhof“, mittels der historische Bahnbauten erhalten und reaktiviert werden sollten. Dadurch konnten z. B. der historische fürstliche Bahnhof in Eisenach restauriert, die Schmalspurbahn „Wilder Robert“ Oschatz – Mügeln weiterbetrieben und das historische Ensemble des Bahnbetriebswerks Wustermark erhalten werden.

SCAN_2<- Unterzeichnung der Patenschaftsvereinbarung zur Rettung der Döllnitzbahnam 26.06.1991 auf dem Bahnhof Oschatz. Aus Berlin und Brandenburg reisten viele Teilnehmer mit dem SVT 176 (im Bildhintergrund) an.

1991-09-07_lvz_wilder_robert_patenschaftIn ihrer Ausgabe vom 7./8.9.1991 berichtete die Leipziger Volkszeitung über den Abschluss des Patenschaftsprojektes.

<p1991-00-00_pressesammlung_dllnitzbahn_1In der Ausgabe 3/1991 berichtete auch die Pro Bahn-Zeitung über die Rettung.

 Pa230004 <- In den Jahren nach 1991 wurden durch die DRE auf der Döllnitzbahn mit finanzieller Unterstützung der Stadt und des Landkreises für den Personen- und Güterverkehr auch Diesellokomotiven angeschafft. Sie sind noch heute zwischen Oschatz und Mügeln im Einsatz

Mit der Wiedervereinigung einigten sich die beiden deutschen Pro Bahn-Verbände auf die Beibehaltung der jeweiligen Selbstständigkeit, solange es die Unternehmen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn gab. Somit blieb unser Verband für das Gebiet der Deutschen Reichsbahn zuständig. Die beiden Verbände vereinbarten zur Zusammenarbeit gemeinsame Gremien und turnusmäßige Sitzungen, die Gründung einer Fahrgastakademie in Eisenach sowie die gemeinsame Herausgabe der „Pro Bahn Zeitung“.

34zn6<- Öffentlichkeitsarbeit war und ist für den DBV (damals Pro Bahn) ein Scherpunkt seiner Arbeit.

Mit der Bahnreform 1993 und der Gründung der DB AG begannen die Verhandlungen über die Fusion der beiden Pro Bahn-Verbände. Die vierköpfige Verhandlungsriege bestand aus dem Bundesgeschäftsführer und dem Landesvorsitzenden Baden-Württemberg für den West-Verband und aus dem Präsidenten und dem Landesvorsitzenden Brandenburg für den Ost-Verband. 1995 einigten sich die Verhandlungsführer und gaben die Ergebnisse an die jeweiligen Verbandstage ab. Während der Ost-Ostverbandstag in Dessau einer Vereinigung zustimmte, lehnte der West-Verbandstag in Lauterbach (Hess) diese ab. Die bisherigen Gemeinsamkeiten wurden eingestellt und der Ost-Verband wurde zum Bundesverband und nannte sich in Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) um.

tr7s_t1992 fand die Schwerpunktveranstaltung der Deutschen Schienenverkehrs-Wochen in Berlin am Bahnhof Zoologischer Garten statt.

 Grundsatz des DBV war und ist Dialog vor Populismus (erst miteinander reden, ggf. dann an die Öffentlickeit mit Stellungnahmen gehen). Viele Kundenbelange konnten in Politik und Verkehrsunternehmen positiv umgesetzt werden, weil man sich zusammensetzt. Zwischen den Generaldirektoren bzw. Vorstandsvorsitzenden der DR, DB sowie DB AG und dem DBV besteht eine mündliche, jedoch immer eingehaltene, Vereinbarung zu mindestens einem jährlichen persönlichen Dialog auf höchster Ebene.

Der DBV ist in seiner Satzung auf vielen Ebenen gem. § 52 AO als gemeinnützig anerkannt, so z. B. für Umweltschutz, Volksbildung, Jugendarbeit, Minderheitenbelange, Verbraucherschutz, BürgerBahnen, historisches Erbe.

Der DBV versteht sich als Verband für Fahrgäste, Bahngüterkunden und Infrastruktur. Seine Finanzen legt er für Jedermann einsehbar als Mitglied der Initiative Transparente Zivilgesellschaft offen.

„Wenn die es nicht machen – dann machen wir es!“ Dies war 1993 der Leitgedanke für seine Interaktivität. Dafür stand auch die Gründung der Deutschen Regionaleisenbahn (DRE) als Selbsthilfe-Eisenbahn zum Erhalt von Eisenbahnstrecken. Da sich die DRE zum zweitgrößten Eisenbahninfrastrukturunternehmen Deutschlands entwickelte, wurde zur Wahrung der Gemeinnützigkeit des DBV die DRE an ein Konsortium aus DBV-Mitgliedern abgegeben. Mehr als 200 Strecken wurden durch DBV und DRE untersucht; mehr als 40 Strecken konnten gerettet und die meisten reaktiviert werden. Zwischen DB Netz und DBV wurde ein "Letter of Intent" (LOI) geschlossen, das im Juni 2020 ausläuft. Die aus diesem LOI resultierende Streckenreaktivierungsliste ist in das Zukunftsbündnis Schiene beim Bundesverkehrsminister eingeflossen. Auch der DBV wurde in dieses Bündnis berufen.

2000 fand in Luckau die Landesgartenschaft Brandenburg statt. Der DBV unterstützte die DRE bei der Organisation und Durchführung von Sonderverkehren auf der Niederlausitzer Eisenbahn (NLE).Eine Selbsthilfeidee des DBV: die BürgerBahn1993 gründete der Deutsche Bahnkunden-Verband e. V. als

Holzverladung auf der Niederlausitzer EisenbahnVerstärkt wenden sich auf potenzielle Güterkunden an den Verband, darunter auch Dax-Unternehmen, um Schienentransporte über Nebenstrecken zu realisieren.

 Gemeinsam mit Kommunen und anderen regionalen Partnern konnten Modelle zur Reaktivierung von Personenverkehren auf Reaktivierungsstrecken umgesetzt werden. So z. B. das „Schmiedeberger Modell“ (Motto: „Bahn und Bus aus einem Guß“) durch Zusammenfassung von Bahn und Bus auf einen Betreiber wurde der Verkehr zwischen Lutherstadt Wittenberg und Bad Schmiedeberg mit Unterstützung des Verkehrsministers wieder aufgenommen. Auch die „Fichtelgebirgsbahn“ Bayreuth – Weidenberg fährt heute im Alltag, weil der Landkreis dies aktiv unterstützt. Mit europäischer Förderung verkehrte der „Elbe-Elster-Express“ zwischen Falkenberg (Elster) und Luckau-Uckro als „BürgerBahn“.

 2007-12-08_mz_schmiedeberg Fahrplan 2008

J4100277Gemeinsam mit dem Berliner Fahrgastverband IGEB betreibt der DBV das Berliner S-Bahn-Museum, das sich derzeit in der Umzugsphase von Potsdam nach Berlin-Lichtenberg befindet.

Das Logo des Berliner S-Bahn-Museums

Jährlich im Herbst finden bundesweit die publikumsöffentlichen Deutschen Schienenverkehrs-Wochen des DBV statt. Alle Mitgliedsorganisationen können dort mit eigenen Veranstaltungen sich darstellen. Wesentliche Veranstaltungen bilden die Kundensprechtage zwischen den Fahrgästen und den Verantwortlichen der Verkehrsunternehmen. Bereits zweimal stellten sich DB-Vorstandsvorsitzende direkt den Kunden. Weitere wesentliche Beiträge kommen von den Vereinen, die auf den Reaktivierungsstrecken Sonderfahrten anbieten. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe werden die ebenfalls jährlich ausgelobten, nicht dotierten und dennoch begehrten, Deutschen Schienenverkehs-Preise in 15 Kategorien überreicht.

Diskussionsveranstaltung zu den Deutschen Schienenverkehrs-Wochen 1992 (?)Adolf-Heinrich von Arnim (Bildmitte) erhielt 1998 für seine jahrzehntelange, ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb der Fahrgastverbände den Ehrenpreis für sein Lebenswerk.2013 erhielten die Städte Jena und Gera für ihre Straßenbahnbetriebe den Schienenverkehrs-Preis

Der undotierte Schienenverkehrs-Preis2013: Sprechtag für Bahnkunden bei der DB in der ZentraleDie Preisträger 2018 in der Hessischen Landesvertretung in Berlin  Foto: Oswald Richter

Der DBV ist in der Verbändeliste des Deutschen Bundestages und vieler Landtge geführt und hat an der Gründung der „Allianz pro Schiene“ sowie dem „EPF - Europäischer Fahrgastverband“ aktiv mitgewirkt. Der Verband ist vertreten im Zukunftsbündnis Schiene des BMVI, im Verbändeworkshop Fahrgäste der DB AG sowie dem Beirat der Schlichtungsstelle öffentlicher Personenverkehr (SÖP).

100_11672011 führte der DBV in Zusammenarbeit mit der Stadt Marktredwitz eine Fachtagung zum mittleren Fernverkehr durch
(Datum im Bild ist falsch).

Die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs im Bereich des Umweltschutzes steigt Jahr für Jahr. Hier ist unserer Meinung nach ein ständiger Dialog mit anderen Dachverbänden notwendig. Deshalb sind wir seit einigen Jahren auch Mitglied im international operierenden Klima-Bündnis und auf nationaler Ebene in der Klima-Allianz und arbeiten dort aktiv mit. Für ebenfalls sehr wichtig halten wir den Dialog mit anderen Vereinen und Verbänden, die ebenfalls im Bereich des Umweltverbundes tätig sind.

Seit 2019 hat sich der DBV von seinen Status als Verein in einen Dachverband gewandelt. Ihm gehören derzeit acht DBV-Länderverbände und 69 Mitgliedsverbände und -vereine mit insgesamt rd. 16.100 Einzelmitgliedern an.

Gerhard J. Curth
Präsident

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